Militärische Ehren für bulgarischen Premier in Wien

Bulgariens Premier holt sich in Wien Abfuhr zu Schengen

Dienstag, 24. Oktober 2023 | 18:34 Uhr

In seinem Werben um einen Schengen-Beitritt seines Landes hat sich der bulgarische Ministerpräsident Nikolaj Denkow am Dienstag erwartungsgemäß eine Abfuhr von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) geholt. “Österreich hat eine klare Position, dass derzeit eine Schengen-Erweiterung nicht stattfinden kann”, sagte Nehammer am Dienstag nach einem Treffen mit Denkow vor Journalisten.

Nehammer ließ durchblicken, dass zunächst die bilateralen Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraumes zurückgenommen werden müssen, ehe Österreich grünes Licht für Bulgarien und Rumänien geben wird. Es brauche einen besseren EU-Außengrenzschutz, schnellere Verfahren und Rückführungsabkommen. “Dann wird der Druck zurückgehen, dann werden auch die bilateralen Grenzkontrollen zurückgenommen, dann können wir über Schengen reden”, sagte der Kanzler. Er bezeichnete das Schengen-System neuerlich als “kaputt”, betonte aber zugleich, dass die österreichische Haltung “keine Position gegen Bulgarien oder Rumänien” sei.

Nehammer lobte vielmehr die Anstrengungen Bulgariens beim Schutz der EU-Außengrenze und hob diesbezüglich hervor, dass vier bulgarische Grenzpolizisten bei ihrer Arbeit “ermordet” worden seien. “Es ist klar von österreichischer Perspektive festzuhalten, dass wir als Österreich sehr dankbar sind Bulgarien für all die Anstrengungen, Bemühungen und auch Opfer, die bulgarische Polizisten erbringen, wenn es um den Grenzschutz geht für die Europäische Union und auch Österreich”, sagte der frühere Innenminister.

Denkow hob in seiner Wortmeldung die “totale Übereinstimmung” zwischen Bulgarien und Österreich in der Migrationsfrage hervor. Der einzige Unterschied bestehe in der Frage, ob eine Schengen-Mitgliedschaft Bulgariens und Rumäniens im Kampf gegen Migration helfen würde. Er habe Nehammer die entsprechenden bulgarischen Argumente vorgestellt und nannte konkret etwa die dann mögliche Verlagerung von Polizisten an die bulgarische EU-Außengrenze mit der Türkei. Mit Bulgarien und Rumänien im Schengen-Raum könne man “viel effektiver” gegen irreguläre Migration vorgehen.

Denkow verwies auch auf die wirtschaftlichen Kosten der Grenzkontrollen zwischen Bulgarien und den anderen EU-Staaten. Ohne Kontrollen sei ein leichterer Transport von Lebensmitteln möglich, was auch die Inflation “abflachen” helfe. Nehammer sagte dazu auf die Frage einer bulgarischen Journalistin, es sei “keine Frage”, dass ein System ohne Grenzkontrollen wirtschaftlich “effizienter” sei. Man müsse aber Sicherheit und Wirtschaft abwägen und die Sicherheitslage erlaube ein Ende der Kontrollen derzeit nicht. Nehammer schlug diesbezüglich auch einen Bogen zur Terrorgefahr. Schließlich seien im Vorjahr zehntausende irreguläre Migranten durch den Schengenraum nach Österreich gekommen, von denen “nicht bekannt ist, mit welchen Motiven sie die Grenze überschreiten”.

Denkow hatte bereits vor seinem Besuch die Erwartungen niedrig gelegt. “Wir erwarten heute keine Antwort von Österreich”, sagte er am Dienstag bei seiner Abreise in Sofia nach Angaben der Nachrichtenagentur BTA. Der Hauptzweck der Visite sei, “der österreichischen Gesellschaft und den Politikern zu erklären, dass es für die Österreicher besser wäre, wenn Bulgarien und Rumänien dem Schengen-Raum angehören würden”, sagte Denkow.

Österreich hat sich im vergangenen Dezember gegen den Beitritt von Rumänien und Bulgarien zum Schengen-Raum gestellt und auf die hohe Zahl von irregulären Migranten auf der Balkanroute verwiesen. An dieser Position will Wien festhalten, solange der Schutz der EU-Außengrenze aus seiner Sicht mangelhaft ist. Aus Sofia hieß es am Montag, dass heuer um 40 Prozent mehr Migranten an der Reise in Richtung Westeuropa gehindert worden seien als im Vorjahr. “Praktisch keine Migranten” würden mehr die bulgarisch-serbische Grenze erreichen, betonte Innenminister Kalin Stojanow.

Der bulgarische Regierungschef traf in Wien auch den Präsidenten der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill. Denkow wies im Vorfeld der Visite darauf hin, dass die österreichische Wirtschaft in seinem Land “gut vertreten” und inoffiziellen Angaben zufolge sogar der wichtigste Investor sei. Unter den Schwierigkeiten beim Warentransport würden auch die bulgarischen Töchter von österreichischen Unternehmen “leiden”. Geplant war auch ein Treffen mit führenden Nationalratsabgeordneten. Nach offiziellen Angaben der Wirtschaftskammer (WKÖ) lag Österreich in Bulgarien im ersten Quartal 2023 hinter den Niederlanden auf Platz zwei der Auslandsinvestoren.

Von: apa