Von: mk
Bozen – Für den freiheitliche Landesparteiobmann Andreas Leiter Reber ist die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler eine historische Chance: „Wir Freiheitliche haben das Vorhaben, für Südtiroler den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, von vorneherein stets aktiv mitgetragen und unterstützt.“
„Die österreichische Staatsbürgerschaft ist nicht nur ein Herzensanliegen, das für die Stärkung der Identität als ethnische Minderheit in einem fremden Staat besonders wichtig ist. Durch die Möglichkeit, zusätzlich zur italienischen, auch die Staatsbürgerschaft des österreichischen Vaterlandes erwerben zu können, werde die Position Südtirols im Ausbau zur Selbstverwaltung massiv gestärkt und die Schutzfunktion Österreichs würde eine neue Qualität erreichen. Es handelt sich um parteiübergreifendes Südtirolanliegen und nachdem Tirols Landeshauptmann Günther Platter bereits bekräftigte, dass der Wunsch nach der zusätzlichen Staatsbürgerschaft vom Land Tirol unterstützt werde, ist die gesamte Südtiroler Landesregierung und Landeshauptmann Kompatscher aufgefordert Geschlossenheit zu zeigen und diesen Wunsch vieler Südtiroler öffentlich zu bekräftigen“ betont der freiheitliche Parteiobmann.
Eine mögliche Gefahr von Bevormundung oder Spaltung der Volksgruppen ist für Leiter Reber völlig unbegründet: „Die zusätzliche österreichische Staatsbürgerschaft kann zweifelsohne unsere Identität festigen und die Sonderrolle Südtirols in Italien auch für den Einzelnen noch greifbarer machen. Es wäre somit eine Maßnahme, die direkt beim einzelnen Bürger ankommen würde. Doch nur, sofern der Bürger dies auch möchte. Denn alleine der einzelne Bürger entscheidet, ob er einen Antrag für die österreichische Staatsbürgerschaft stellen möchte. Somit handelt es sich um ein zutiefst liberales Anliegen, das die Willensentscheidung des mündigen Bürgers in den Mittelpunkt stellt – und auch aus dieser Sicht stellt die österreichische Staatsbürgerschaft ein freiheitliches Selbstverständnis dar. Denn der Wille des Bürgers ist die wesentliche Richtschnur unseres Handelns!“
Grüne warnen: „SVP-Schlingerkurs als riskanter Flirt mit den Sezessionisten“
Der Brief von 19 Landtagsabgeordneten an die österreichischen Bundesregierung hat nach Ansicht der Südtiroler Grünennicht wegen des sattsam bekannten, seit 2010 erhobenen Rufs nach einer doppelten Staatsbürgerschaft für Aufsehen gesorgt, sondern wegen der „merkwürdigen Allianz zwischen Süd-Tiroler Freiheit, Bürgerunion, Freiheitlichen und Teilen der SVP“, unter dem „Ehrenschutz“ von Paul Köllensperger. Das Manöver sei aus drei Gründen fragwürdig und verdiene laut den Grünen scharfe Kritik.
„Die Adresse an die türkis-blaue ÖVP/FPÖ-Koalition bedeutet eine Annäherung an deren Positionen und die Aufwertung des Tandems Kurz-Strache zu neuen Hoffnungsträgern“, bemängeln die Landtagsabgeordneten der Südtiroler Grünen, Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba.
Das Vorpreschen von Teilen der SVP-Landtagsabgeordneten stelle Bürgerinnen und Bürger außerdem vor ein Dilemma. „Welches ist die Haltung der stärksten Partei in Südtirol in dieser grundsätzlichen Frage? Was will die SVP? Doppelpass ja, Doppelpass vielleicht, oder Doppelpass Nein? Hü oder Hott? Dass Landeshauptmann und Obmann durch die Unterzeichnung beschädigt werden sollen, sei nur am Rande bemerkt, da wir nicht deren Amtsverteidiger sind“, betonen die Grünen.
Die Konsequenzen einer doppelten Staatsbürgerschaft seien laut den Grünen auch kein „emotionales“ Thema, sondern sie wäre ein kleiner Sprengsatz in der Südtiroler Gesellschaft und würde zu deren Spaltung in Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft und solchen ohne führen, also erste oder zweite Staatsbürgerschaftsklasse.
„Wer hätte Anspruch“, fragen die Grünen. Nur Deutschsprachige und Ladiner oder auch Italiener? „Diese Frage würde die Südtiroler Gesellschaft spalten, weil auch unter der deutschen und ladinischen Volksgruppe viele erst nach 1918 nach Südtirol gekommen sind, erst recht die große Mehrheit der italienischen Sprachgruppe. Diese Zwei-Klassen-Gesellschaft gefährdet das Zusammenleben und das Prinzip der Gleichheit“, betonen die Grünen.
In Österreich stellte sich die Frage, welche anderen österreichischen Gruppen im Ausland das gleiche Recht bekommen sollen. „Das führte in konsequenter Anwendung zum Sammeln von Doppelstaatsbürgerschaften. Zudem steht in Österreich aktuell die Frage illegaler österreichisch-türkischer Doppelstaatsbürgerschaften auf dem Prüfstand. Da kommt der Südtiroler Antrag denkbar ungelegen“, bemerken die Grünen.
Sie warnen außerdem vor einem Dominoeffekt, der gegen die europäische Zielsetzung spricht, eine starke europäische Identität mit starken Bürgerrechten zu schaffen, weil dann andere Minderheiten schnell nach Doppelstaatsbürgerschaften rufen würden.
Als Grüne sei man sich bewusst: „Südtirol und andere mehrsprachigen Grenzregionen verdienen einen Sonderstatus, der das friedliche Zusammenleben sichern soll. Aber dafür zielen wir auf eine viel realistischere Alternative: Stärkung und Ausbau der Unionsbürgerschaft. Diese könnte genau in Grenzregionen verstärkt experimentiert werden in Verbindung mit der Anerkennung des Schutzes der Sprachminderheiten in der Europäischen Verfassung. Wir Grüne setzen auf das vielsprachige und friedliche Europa weiter. Italien und Österreich könnten in Südtirol das Vorzeigemodell der neuen Unionsbürgerschaft aufbauen.“
Der Vorstoß der 19 mache jedenfalls deutlich, wie sehr sich Teile der Mehrheitspartei auch in dieser Frage Positionen der „Deutschpatrioten“ annähern und damit einer Linie, die das Modell der Autonomie und friedlichen Zusammenlebens nur für ein zeitweiliges, letztlich entbehrliches Provisorium halte, erklären die Grünen. „Die SVP sollte sich endlich von dieser und anderen Zweideutigkeiten befreien: Der Flirt mit harten Volkstumspositionen verunsichert Bürgerinnen und Bürger und fördert die zu ethnischer Zündelei“, betonen die Grünen abschließend.
“Grünes Trauerspiel: Angst statt Argumente”
“Die österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler ist nach den Parlamentswahlen in Österreich wieder auf der politischen Agenda. Grund genug also für die Grünen hierzulande, ihr Totschlagargument aus der Mottenkiste zu holen: Die vermeintliche „Spaltung der Gesellschaft“. Die Behauptung, eine doppelte Staatsbürgerschaft würde „Gesellschaften spalten“, hält dem Realitätscheck aber nicht stand. Im Gegenteil”, so die STF.
„Ein Blick nach Europa zeigt: Schon jetzt ermöglichen 26 von 28 EU-Staaten doppelte Staatsbürgerschaften. Von den Italienern in Kroatien, über die Schweden in Åland bis hin zu den Österreichern in Dreizehnlinden“, betont Stefan Zelger, Mitglied der Landesleitung der Süd-Tiroler Freiheit. „Wo bitte wurde dadurch die Gesellschaft gespalten? Glauben Foppa und Co. ernsthaft, dass das Konfliktpotenzial in Süd-Tirol höher ist als in Ländern wie Irland, Zypern oder Ungarn, die alle eine zweite Staatsbürgerschaft ermöglichen?!“
“Erst vor zwei Jahren gestattete Dänemark seiner deutschen Minderheit die zweite Staatsbürgerschaft, obwohl dies laut Grünen ja antieuropäisch sei und die Gesellschaft spalte. Böse Dänen. Sogar den deutschen Schlesiern in Polen wurde der zweite Pass ermöglicht. Wer die leid- und wechselvolle Geschichte zwischen Deutschland und Polen kennt, gerade im zwanzigsten Jahrhundert, kann einschätzen, was das bedeutet.”
Zelger legt den Grünen deshalb einen Blick über den Tellerrand nahe: „Überall in Europa setzten sich Grüne für zweite Staatsbürgerschaften ein. Und überall erkennen sie den Mehrwert für die Gesellschaft und die europäische Dimension. Nur in Süd-Tirol schüren Grüne lieber Angst und verbreiten Phrasen von der Spaltung. Eine zweite Staatsbürgerschaft würde keine Spaltung der Gesellschaft bedeuten. Sie würde jenen, denen die italienische Staatsbürgerschaft aufgezwungen wurde, die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, wo sie sich zugehörig fühlen. Bisher haben sie diese Wahlfreiheit nicht!“