Von: Ivd
Washington D.C./Bozen – Im Rahmen des Transatlantic Youth Summit (TYS) in Washington D.C. 2025 diskutierten junge Führungskräfte aus Europa und den USA über drängende geopolitische Themen. Ein zentrales Thema war die aktuelle Politik der USA unter Präsident Donald Trump und deren Auswirkungen auf Europa, insbesondere auf Südtirol. Wir haben Dr. Florian Gasser, Vizepräsident der Jungen Europäischen Volkspartei (YEPP), Wissenschaftler und Vertreter der Südtiroler Volkspartei zu seiner Einschätzung der aktuellen Politik von und mit den USA Fragen gestellt.
Herr Gasser, im Rahmen des TYS 2025 haben Sie sich intensiv mit aktuellen geopolitischen Herausforderungen auseinandergesetzt. Ein zentrales Thema war die Handelspolitik der USA unter Präsident Donald Trump. Wie schätzen Sie die Auswirkungen der angekündigten Zölle auf europäische Produkte, insbesondere auf Südtiroler Unternehmen, ein?
Dr. Gasser: „Auch wenn viele wichtige Zielmärkte für Südtirol in Europa liegen, treffen amerikanische Zölle auf europäische Produkte auch uns in Südtirol direkt. Viele heimische Betriebe – beispielsweise aus dem Lebensmittelbereich oder Maschinenbau – exportieren in die USA. Wenn nun neue Handelsbarrieren entstehen, bedeutet das: höhere Kosten, mehr Bürokratie und weniger Planungssicherheit. In einem ohnehin schwierigen globalen Umfeld ist das für unsere Unternehmen eine zusätzliche Belastung.“
„Wichtig ist jetzt, dass Europa geschlossen auftritt und seine Interessen selbstbewusst vertritt. Südtirol kann dabei als Teil dieser europäischen Wirtschafts- und Wertegemeinschaft auftreten – mit klaren Forderungen nach fairen Handelsbedingungen und langfristiger Partnerschaft statt kurzfristiger Abschottung.“
Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage: Sollte sich Südtirol auf eine Zeit ohne den Rückhalt der USA einstellen?
Dr. Gasser: „Wir sollten realistisch bleiben: Die Beziehungen zwischen Europa und den USA sind zweifelsohne wichtig – wirtschaftlich, politisch, sicherheitspolitisch. Aber sie sind nicht mehr so verlässlich wie früher. Gerade unter Präsident Trump steht oft nicht die Partnerschaft im Vordergrund, sondern nationale Alleingänge.“
„Deshalb gilt: Südtirol und Europa müssen unabhängiger werden und im Zweifel auch alternative Märkte stärker in den Fokus nehmen. Das heißt nicht, dass wir uns abwenden – aber wir müssen widerstandsfähiger werden, etwa durch eigene Investitionen in Zukunftstechnologien, sichere Lieferketten und gemeinsame europäische Strategien. Vertrauen ja – Abhängigkeit nein.“
Ein weiteres Thema des Gipfels war der eskalierende Nahost-Konflikt, insbesondere die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Iran. Wie sollte sich Südtirol in dieser Situation positionieren insbesondere auf die Situation im Gazastreifen: Sind die Gefahren und das Vorgehen jeweils gleich zu bewerten?
Dr. Gasser: “Südtirol mag keine außenpolitische Macht sein, aber als Brückenregion zwischen Kulturen und als Symbol für erfolgreichen Minderheitenschutz können wir Impulse setzen – gerade in Zeiten globaler Spannungen. Das Existenzrecht Israels und sein Schutz vor Angriffen sollten nicht verhandelbar sein. Gleichzeitig muss auch das Leid der Zivilbevölkerung – etwa in Gaza – gesehen werden. Menschenrechte gelten universell und müssen auch von allen Beteiligten eingehalten werden. Genauso wie das Völkerrecht, welches für alle gleich gelten muss. Doppelstandards bei der Anwendung des Völkerrechts würden längerfristig zu weiteren Gefahren für den Frieden führen.”
“Wir sollten uns daher für eine Politik einsetzen, die auf Deeskalation, Diplomatie und Völkerrecht setzt. Südtirols Geschichte als Brückenregion und als Beispiel für friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen ist ein gutes Modell dafür, dass Dialog möglich ist – auch in scheinbar unlösbaren Konflikten.”
In Bezug auf den Klimaschutz: Präsident Trump hat erneut den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt. Welche Konsequenzen hat dies für die europäische Klimapolitik, insbesondere für Südtirol?
Dr. Gasser: “Der Klimawandel kennt keine Grenzen. Wenn die USA aussteigen, schwächt das den globalen Einsatz für den Klimaschutz – keine Frage. Aber wir dürfen uns davon nicht bremsen lassen. Europa – und auch Südtirol – haben hier eine große Verantwortung und auch klare längerfristige wirtschaftliche und ökologische Interessen.”
“Gerade für Südtirol als Alpenregion ist Klimaschutz keine abstrakte Debatte, sondern tägliche Realität: schmelzende Gletscher, zunehmende Wetterextreme, veränderte Landwirtschaft. Wir müssen vorangehen: mit nachhaltigem Tourismus, klimafreundlicher Mobilität, Unterstützung von klimaorientierten Innovationen und Forschungen und regionaler Energieversorgung. Wenn wir jetzt investieren, schaffen wir Zukunftssicherheit – ökologisch und wirtschaftlich.”
Abschließend: Wie bewerten Sie die Beziehung zwischen der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Präsident Trump? Ist sie ein Vorteil im Sinn eines guten Drahts nach Washington oder droht Italien durch den US-amerikanischen Einfluss der Verlust der Meinungspluralität?
Dr. Gasser: “Ein gutes Verhältnis zwischen Regierungschefs kann hilfreich sein – solange es auf Augenhöhe passiert. Ministerpräsidentin Meloni sollte diesen Draht nach Washington nutzen, um Italiens Interessen klar zu vertreten – aber die Europäischen Interessen sollten klar miteinbezogen werden. Es wäre ein großer Fehler, wenn sich die EU-Nationalstaaten gegenseitig ausspielen würden. Dies würde am Ende für alle Beteiligten in der EU schädlich sein und würde die Strategie der USA belohnen. In den Verhandlungen – auch jetzt wieder bei der verlängerten “Zollschonfrist” bis 1. August – ist klar, dass wir in der EU aufgrund der Relevanz und Größe des Wirtschaftsstandorts gemeinsam einen besseren Kompromiss finden können.”
“Europa lebt von Vielfalt und demokratischer Debatte und Meinungspluralität ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie. Gerade deshalb braucht es einen kontinuierlichen Austausch der europäischen Positionen und eine abgestimmte europäische Außenpolitik, auch im Dialog mit den USA.”
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