Von: mk
Bozen – Nicht immer wird die EU als sehr bürgernah empfunden. Laut der Initiative für mehr Demokratie in Bozen liegt das daran, dass die EU demokratiepolitisch ein eigenartiges Konstrukt ist.
„Das Parlament, das eigentlich die gesetzgebende Gewalt sein sollte, aber selbst keine Gesetze erlassen kann, ist eingekreist von formellen und informellen Gremien, die alle größeren Einfluss und größere Entscheidungsmacht haben, als es selber. Europarat, Europäischer Rat, Ministerrat, Kommission, Eurogruppe, EZB, Ecofin-Rat, ESM usw. sind in unklaren und meist völlig intransparenten Formen am Zustandekommen der wichtigen Entscheidungen beteiligt“, so die Initiative.
Die EU werde von den Kräften bestimmt, die nicht das geringste Interesse daran hätten, länderübergreifend Lösungen zu suchen. „Nur die EU-Kommission, die aus Vertretern der Regierungsparteien der Nationalstaaten besteht, hat gesetzgebende Gewalt, ist also Legislative und Exekutive in einem. Die Nationalstaaten, die mit der EU überwunden werden sollten, nutzen sie für ihre Zwecke. Und das sind in der Regel nicht die Interessen der Bürger, sondern die jeweils stärksten Wirtschaftsinteressen. Wenn jetzt mit den Wahlen gefürchtet wird, dass nationalpopulistische Kräfte in der EU das Ruder in die Hand nehmen, dann deshalb, weil für die Menschen Europa eine demokratisch unkontrollierbare supranationale Zusammenballung von Wirtschaftsmächten geworden ist: Agroindustrie, Energie- und Chemiekonzerne, Rüstungsindustrie, Finanz- und Versicherungskomplexe usw. bestimmen die Politik“, kritisiert die Initiative.
Gegen diesen Missbrauch Europas brauche es die Ermächtigung der Bürgerinnen und Bürger. Laut Initiative heißt die Antwort: „Now the citizens!“
Democracy International hat diese Initiative zusammen mit 60 weiteren Organisationen lanciert. In diesem Rahmen ist den Kandidatinnen und Kandidaten zum Europaparlament die Möglichkeit geboten worden, ihren Wählern gegenüber die Verpflichtung einzugehen, diese Grundfrage der EU, nämlich ihre Demokratisierung, in die Hände der Bürgerinnen und Bürger zu legen.
Ziel dieser Kampagne ist eine Mehrheit im Europaparlament für die europaweite Einrichtung von im Losverfahren gebildeten Bürgerversammlungen. Sie haben die Aufgabe, konkrete Empfehlungen zur demokratischen Zukunft Europas zu formulieren. Diese sollen dann in Gesetzesvorschläge gefasst, durch einen Konvent in eine Endfassung gebracht und den Bürgerinnen und Bürgern zur Abstimmung vorgelegt werden. Eine parlamentarische Intergruppe für die Zukunft der europäischen Demokratie soll einen Fahrplan für die demokratische Reform ausarbeiten.
Bisher haben über 250 Europawahlkandidatinnen und -kandidaten aller europäischen Länder diese Verpflichtung unterschrieben. Die Initiative für mehr Demokratie unterstützt diese Kampagne und hat die in Südtirol wählbaren Kandidaten zur Europawahl eingeladen, diese Selbstverpflichtung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern einzugehen. Bereits unterschrieben haben diese Selbstverpflichtung Martine De Biasi von der Liste „Sinistra/die Linke“, Judith Kienzl von der Liste „Grüne/verdi“, Norbert Lantschner von der Liste „Grüne/verdi“, Cristiano Zanella von der Liste „Movimento 5 Stelle“.