Freiberufliche Tierärztin ohne Zweisprachigkeitsnachweis klagt 100.000 Euro ein

Das System wackelt

Mittwoch, 07. Dezember 2016 | 12:00 Uhr

Bozen – Eine Tierärztin, die sechs Jahre in Folge mittels Werksvertrag als Freiberuflerin für den Südtiroler Sanitätsbetrieb gearbeitet hat, klagte vergangene Woche erfolgreich die Sozialabgaben für diese Jahre ein, wie sie eigentlich nur Fixangestellten zustehen. Insgesamt handelt es sich um die stolze Summe von 100.000 Euro. Weil die Tierärztin in dieser Zeit keinen Zweisprachigkeitsnachweis verfügte, herrscht nun Alarm in der Chefetage im Sanitätsbetrieb und in der Landesregierung.

Befürchtet wird vor allem, dass das autonomiepolitischen Pfeiler „Zweisprachigkeitspflicht“ einstürzen könnte. „Ein gefährlicher Präzedenzfall“, räumt Gesundheitslandesrätin Martha Stocker laut einem Bericht des Tagblatts Dolomiten ein. Allein im Sanitätsbetrieb sind rund 230 Ärzte und über 100 Krankenpfleger mit einem Werksvertrag beschäftigt.

Weil die Tierärztin keinen Zweisprachigkeitsnachweis vorweisen konnte, hatte kein Angestelltenverhältnis und erhielt keine Sozialabgaben (Renteneinzahlung, 13. Monatsgehalt, Urlaub, Krankengeld usw.). Mittlerweile hat sie die Zweisprachigkeitsprüfung bestanden und an einem Stellenwettbewerb teilgenommen. Allerdings arbeitet sie nicht mehr für den Sanitätsbetrieb.

Die Begründung des Urteils lautete am Arbeitsgericht: Der Werksvertrag sei vom Sanitätsbetrieb Jahr für Jahr verlängert worden. Deshalb handle es sich um nichts anderes als um ein verschleiertes Angestellten-Verhältnis.

Die happigen Nachzahlungen sind allerdings nur ein Nebenschauplatz. Dieser arbeitsrechtliche Fall birgt so viel Zündstoff, dass nicht nur das gesamte System „Werksverträge ordentlich wackelt“, wie Stocker laut „Dolomiten“ erklärt, sondern auch die Autonomie-Grundfeste Zweisprachigkeitspflicht. Deshalb wird sich das Land dem Rekurs des Sanitätsbetriebs anschließen.

Feststeht eines: Der Sanitätsbetrieb wäre ohne die vielen Werksvertragsärzte und -pfleger in vielen Abteilungen hoffnungslos aufgeschmissen. Ist jemand bis zum Rekursurteil am Oberlandesgericht nicht mehr bereit, einen Werksvertrag zu unterschreiben, „ sollte die Notverordnung des Landeshauptmanns greifen, die zum Dienst verpflichtet, weil die medizinische Versorgung aufrechterhalten bleiben muss“, erklärt Stocker gegenüber den „Dolomiten“.

ASGB-Chef Tony Tschenett sieht ein Fragezeichen auch hinter den neuen dreijährigen Werksverträgen. „Sind wir sicher, ob daraus nicht auch arbeitsrechtliche Ansprüche für eine Fix-Einstellung erwachsen? Eines ist sicher: Dieses Urteil zieht einen Rattenschwanz von Problemen nach sich. Wir haben viele Werksvertragler, denen seit Jahren der Vertrag Jahr um Jahr verlängert wird“, erklärt er laut „Dolomiten“. Tschenett befürchtet eine Rekursflut. Langjährige Werksvertragler könnten die Gunst der Stunde nutzen und auf den Zug aufspringen. Der ASGB-Vorsitzende sieht einen Ausweg in befristeten Arbeits- statt Werksverträgen.

Von: mk