"Mit dem 'JA' macht sich Südtirol keine Freunde"

Köllensperger: “Gut, dass Italien nicht zentralisiert wird”

Montag, 05. Dezember 2016 | 17:27 Uhr

Bozen – “Es waren tausend schwierige, aber schöne Tage. Danke allen! Es lebe Italien!” So lautete das Resümee von Matteo Renzi auf seinem Twitter-Kanal, der nach dem negativen Ausgang des Verfassungsreferendums seinen Rücktritt erklärt hat.

 

Während die SVP von einer verpassten Chance spricht, sieht der Landtagsabgeordnete Paul Köllensperger von der Fünf-Sterne-Bewegung (5SB) im Gespräch mit Südtirol News die Sache völlig anders und er beruhigt.

 

Das Verfassungsreferendum ist vorbei und das Nein-Lager hat gewonnen. Südtirol hat allerdings mehrheitlich mit JA gestimmt. Was sagen sie als Verfechter des Nein dazu?

Gott sei dank ist, mit kräftiger Mithilfe der 5SB, diese autonomiefeindliche und undemokratische Reform abgewendet worden. Italien hat klar gesagt, dass es den Zentralismus nicht will, aber auch dass es Renzi nicht mehr will. In Südtirol ticken die Uhren anders: Hier hat vor allem die Angstmache der SVP vor Veränderung gewirkt. Italien hat 60 Regierungswechsel in der Nachkriegszeit hinter sich, wir werden auch diesen überleben.

 

Kann sich die SVP bestätigt fühlen, weil hierzulande das Ja deutlichen Vorsprung hatte?

Die SVP hat lokal einen Erfolg eingefahren, aber in Rom steht sie auf der Seite der Verlierer. Sie hat alles auf das Pferd Renzi gesetzt, aber verloren. In Rom muss sie sich nun wohl neue Ansprechpartner suchen. Nach der Beschädigung unseres Ansehens durch den Skandal mit den Leibrenten, nach der fehlenden Anpassung der Politikergehälter riskieren wir, dass dieses Ja zur negativen Stimmung gegen uns beiträgt. In den anderen Regionen wird es wohl als egoistischer Akt interpretiert werden, was uns nicht sympathischer machen wird.

 

Wie wird es in Italien nun weitergehen: Krise und Chaos oder wird alles halb so wild?

Ich denke, dass jetzt erst einmal eine Übergangsregierung kommt, um das Stabilitätsgesetz zu verabschieden und dann das Wahlgesetz zu überarbeiten. Alle zusammen mit dem Ziel, eine Regierung des M5S zu vermeiden. So schnell passiert also gar nichts, auch weil der PD, Verdini und seine Bündnispartner im Parlament ja weiterhin eine Mehrheit haben.

 

Wäre für Südtirol doch ein anderes Ergebnis besser gewesen?

Es wäre besser gewesen, wenn auch hierzulande das Nein gewonnen hätte. Aber es ist auf jeden Fall gut, dass Italien nicht zentralisiert und der Regionalismus abgebaut wird. Es ist auch positiv, dass sich die Italiener so klar gegen einen starken Mann in Rom ausgesprochen haben. Die Zentralisierung wäre für den Norden, und früher oder später auch für Südtirol, eine Gefahr gewesen.

 

Braucht Italien nicht dringend Reformen?

Ja, aber der Senat ist definitiv nicht das größte Problem Italiens. Korruption, Jugendarbeitslosigkeit, Bürokratie, Steuerhinterziehung… es gibt tausend Baustellen. Es sind zwei Jahre verloren worden, weil Renzi versuchen wollte, sich das Parlament unter den Nagel zu reißen. Dafür hat er richtigerweise jetzt einen Denkzettel verpasst bekommen. Es braucht rasch eine neue, demokratisch gewählte Mehrheit, und eine Regierung, die legitimiert ist, diese dringenden Reformen in Angriff zu nehmen.

 

Trauen sie Grillo und dem M5S Regierungsverantwortung auf gesamtstaatlicher Ebene zu?

Ja, M5S muss sich jetzt aber am Riemen reißen und rasch eine glaubwürdige und kompetente Regierungsmannschaft zusammenstellen. Es ist glaubhafter, dass eine neue Kraft gewisse Reformen machen kann, als das Establishment und die Politikerkaste, die aus dieser hervorgeht – also jene, die in den letzten 30 Jahren den Staat an die Wand gefahren haben und aufgrund offensichtlicher Interessenskonflikte gewissen Reformen nie angegangen sind und nie angehen werden.

Von: luk

Bezirk: Bozen