Schützen organisierten das Treffen

St. Ulrich: Abendfüllende Diskussion über Verfassungsreform

Dienstag, 29. November 2016 | 14:21 Uhr

 

St. Ulrich – Am Montag haben die Schützenkompanie St. Ulrich und der Südtiroler Schützenbund zu einer Podiumsdiskussion über das anstehende Verfassungsreferendum in Italien geladen. Am Podium diskutierten der Kammerabgeordnete Daniel Alfreider (SVP), Landesrat Florian Mussner (SVP), die Landtagsabgeordneten Pius Leitner (FH) und Sven Knoll (STF) sowie Landeskommandanten Elmar Thaler (SSB) über die Vor- und Nachteile für Südtirol.

Nach der Begrüßung durch den Hauptmann der Schützenkompanie St. Ulrich, Patrick Kostner, führte Eberhard Daum durch den Abend.

Landesrat Florian Mussner verlieh gleich am Beginn seinem Wunsch Ausdruck, dass die Südtirol-Autonomie nach der Verfassungsreform noch besser dastehen werde als bisher. Mit dieser Reform würde nach seiner Meinung zudem sehr viel Geld eingespart, da der Senat reduziert wird. Man müsse nur Vertrauen in die Arbeit der SVP haben, so der Grundtenor Mussners.

Pius Leitner hingegen plädierte für ein Nein und kritisierte, dass mit dieser Reform ein zentralistischer Staat entstehen werde, dies sei nie gut für eine Minderheit. Die Sache mit der Reduzierung der Senatoren sei nur ein „Zuggerle“. Man müsse die gesamte Verfassung anschauen, und die sei nun mal zentralistisch ausgerichtet. Man müssen die Verfassungsreform in Zusammenhang mit dem neuen Wahlgesetz betrachten, dem zufolge einer einzigen Partei mit 25 bis 30 Prozent Stimmenanteil automatisch 54 Prozent der Sitze im Parlament zustehen. Damit habe Südtirol für ihn de facto nichts mehr zu sagen, da die politischen Vertreter unseres Landes nicht mehr entscheidend seien.

Sven Knoll warb ebenfalls für ein Nein. Dass die Sonderautonomien nicht abgeschafft worden sind, verdanke man derzeit dem Umstand, dass es im Parlament bisher zufälligerweise keine Mehrheit gegeben habe. Mit dieser Reform gehe aber alle Macht nach Rom. Wir müssten schauen, dass wir mehr Kompetenzen nach Bozen bekommen. Die am 4. Dezember zur Abstimmung stehende Reform gehe nämlich ganz stark in Richtung Zentralismus und wäre damit das Gegenteil von Autonomie. Die Interessen Südtirols würden, so Knoll, vor dem Verfassungsgerichtshof nicht bestehen können, da dieser immer im Sinne des Nationalstaates entscheiden würde.

Daniel Alfreider gab zu, dass es parteiübergreifend in ganz Italien Gegner der Sonderautonomien gebe. Für ihn sei es wichtig, dass wir die Autonomie für Südtirol weiterentwickeln können. Mit dem Einvernehmen, das ausgehandelt worden war, bekämen wir eine noch besseren Schutz der Autonomie in die Verfassung als es bisher der Fall ist.

Elmar Thaler merkte an, dass es ihm leid tue, dass die Institutionen und Parteien nicht versucht haben, die Leute zu informieren, und dass die Schützen diese Aufgabe nun übernehmen müssen. Die Worte von Mussner „man müsse Vertrauen haben in unsere Parlamentarier“ sind für ihn in solch einer wichtigen Frage zu wenig. Im Juni 2006 habe die SVP noch geschrieben „Hingehen und mit Nein stimmen“. Seit 2006 habe sich nichts geändert. Das nationale Interesse kommt jetzt wieder in die Verfassung hinein. „Nein zu Scheinföderalismus“ habe man vor zehn Jahren geschrieben. Jetzt komme sogar ein Zentralismus und nun solle man für ein Ja stimmen. Zudem sei die von der SVP so oft angesprochene Schutzklausel kein wirklicher Schutz, da sie als Übergangsregelung in Kraft treten würde – nämlich so lange, bis Südtirols Autonomiestatut angepasst werde. Der Landeskommandant pflichtete ebenfalls der Befürchtung bei, dass Südtirol bei wichtigen Entscheidungen vor dem italienischen Verfassungsgerichtshof kaum Erfolg haben werde.

Daniel Alfreider erinnerte an die Reform von 2001, die eine Chance gebracht hat. „Der Sichtvermerk des Regierungskommissars wurde dabei abgeschafft. Wir konnten dann autonom gesetzgeberisch unterwegs sein. Man muss immer bedenken, dass sich ein Staat mit 60 Millionen Einwohnern eine neue Verfassung geben möchte. Wir können das nicht ändern. Wir haben nur geschaut, dass diese keine Einwirkung auf unsere Autonomie hat. Mit dem Einvernehmen“, gaben sich Alfreider und Mussner überzeugt, „hat man das erreicht.“

Elmar Thaler gab im Verlauf des Abends mehrmals zu bedenken, was passieren würde, wenn das vielgelobte Einvernehmen letztendlich nicht zustande kommt. Dann werde schlussendlich der Verfassungsgerichtshof entscheiden. Und da, so Thaler, habe Südtirol noch nie gut abgeschnitten. Die SVP habe erst kürzlich beim Mailänder Abkommen auf zwei Milliarden Euro verzichtet – aus Angst, dass der Verfassungsgerichtshof gegen Südtirol entscheiden würde.

Viele Teilnehmer meldeten sich anschließend zu Wort, um ihre Meinung zur Thematik vorzubringen sowie Fragen an die Teilnehmer am Podium zu richten. Das Interesse der Bevölkerung war insgesamt sehr groß. Thaler meinte zudem: „Wir haben heute einen ganzen Abend lang diskutiert. Das einzige, was sicher ist, ist, dass wir ohne Zugehörigkeit zu Italien dieses Dilemma erst gar nicht hätten.“

Von: mk

Bezirk: Salten/Schlern