Von: apa
OeNB-Gouverneur Martin Kocher plädiert nach der verschobenen Unterzeichnung des EU-Mercosur-Pakts für ein Umdenken in der heimischen Politik. “Als kleines, exportorientiertes Land können wir es uns eigentlich nicht leisten, auf eine solche Chance zu verzichten”, sagte er im Gespräch mit der APA. Seit 2019, als sich Österreich parlamentarisch auf ein Veto in Brüssel festlegte, sei einiges geschehen. “Das ist nicht mehr dasselbe Abkommen wie damals”, argumentierte Kocher.
Der Notenbankchef verwies unter anderem auf diverse Schutzklauseln für Landwirte, die unlängst implementiert worden seien. “Grundsätzlich hat sich das Abkommen gut entwickelt, auch in Bezug auf Sicherheitsmechanismen für den Regenwald und die Biodiversität.” Sollte der Freihandelsvertrag tatsächlich scheitern, bestehe die Gefahr, dass Akteure wie China die Lücke füllen und die im Abkommen ausverhandelten Menschenrechts- und Umweltstandards erst recht nicht angewendet werden – nur dass Europa auf die Vorteile, die der Vertrag bringen würde, verzichten müsste. Er hoffe daher sehr, dass es noch gelingt, “auch in Österreich Überzeugungsarbeit zu leisten”.
Unterzeichnung verschoben
Die Europäische Union hatte den Pakt bis Jahresende besiegeln wollen, die Unterzeichnung mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay allerdings aufgrund des Widerstands von Frankreich und Italien auf den 12. Jänner vertagt. Ein Schwenk Österreichs mit einem neuen Parlamentsbeschluss zeichnete sich zuletzt nicht ab, Befürworter hoffen nun aber, dass die Regierung das Zeitfenster nutzt und doch noch eine Kehrtwende macht.
Wirtschaftsaufschwung bleibt aus
Verfechter des Mercosur-Pakts erinnern – ähnlich wie Kocher – häufig an die Exportmöglichkeiten, die sich durch das Freihandelsabkommen ergeben würden, und die gerade inmitten der schwierigen Wirtschaftslage stabilisierend wirken könnten. Laut allen führenden Instituten soll sich das BIP-Wachstum hierzulande im kommenden Jahr zwar etwas erholen, ein echter Aufschwung zeichnet sich mit einer erwarteten Rate um gut ein Prozent aber nicht ab.
Kocher warnt mit Blick auf das Wirtschaftswachstum generell vor zu hohen Erwartungen: Angesichts struktureller Herausforderungen wie der Alterung oder auch der nach wie vor hohen Energiepreise müsse sich Europa mittelfristig auf niedrigere Wachstumsraten als noch vor einigen Jahren einstellen. “Ein großer Teil davon generiert sich aus dem Bevölkerungswachstum und seinen Effekten für die Wirtschaft. Da hat sich die Lage mit der Babyboomer-Generation, die allmählich in den Ruhestand tritt, grundlegend verändert”, erklärte der Ökonom.
Inflation wird 2026 sinken
Die Inflation wiederum dürfte sich im kommenden Jahr in Österreich etwas stabilisieren. Aufgrund wegfallender Effekte durch das Auslaufen von Energiehilfen Anfang 2025 wird sich der Preisauftrieb schon zu Jahresbeginn 2026 deutlich abschwächen. Bei einer Inflation von zuletzt gut 4 Prozent bleibt man vom Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) aber vorerst weiter entfernt – im Jahresschnitt dürfte sich der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) laut OeNB-Prognose dann bei 2,4 Prozent einpendeln. Vor diesem Hintergrund rät Kocher der Regierung zu Maßnahmen, die den Wettbewerb stärken, insbesondere in Bereichen, wo weiter eine “dynamische Preisentwicklung” herrsche. Direkte Eingriffe in die Preise lehne er hingegen weiter ab: Damit erziele man wie bei der Strompreisbremse in der Regel nur temporäre Resultate, so der Notenbanker.
Nationalbank spart 80 Millionen Euro bis 2031
In der Nationalbank selbst steht in den kommenden Jahren Sparen auf dem Programm. Bis 2031 will die Notenbank Kosten in Höhe von insgesamt 80 Millionen Euro reduzieren, was laut dem Gouverneur durch Nicht-Nachbesetzungen und der Streichung von bestimmten Vergütungen erreicht werden soll – Kündigungen werde man keine aussprechen. Am Ende der Periode dürfte der Personalstand dann um 8 Prozent niedriger als heute sein. Damit wolle die Notenbank signalisieren, dass man derzeit wie alle anderen Institutionen der Republik – die OeNB steht im alleinigen Eigentum des Bundes – der Sparsamkeit verpflichtet sei. Über die Sparpläne hatten zuvor “Kleine Zeitung” und “Standard” berichtet.
Kocher sieht Sozialpartnerschaft gut aufgestellt
Zur Bestellung von Johannes Hahn (ÖVP) in den Generalrat der Notenbank wollte sich Kocher nicht näher äußern. Das sei nicht Sache des Direktoriums, er sei allerdings froh, dass die Regierung nach dem Rücktritt Harald Mahrers (ebenfalls ÖVP) rasch einen Nachfolger ernannt habe. Negative Folgen für die Sozialpartnerschaft durch die Debatte um die Wirtschaftskammer, die zum Rückzug Mahrers aus der Kammer und der Notenbank führte, erwartet er im Übrigen nicht: Insbesondere in ihrer Rolle zur Lohnfindung habe sich das System in den vergangenen Jahrzehnten bewährt, daran werde nicht zu rütteln sein. Über Verbesserungen, etwa was die Finanzierung betrifft, könne man aber freilich immer diskutieren.
Digitaler Euro auf Schiene
Optimistisch ist Kocher, was den Fahrplan zur Einführung des digitalen Euro betrifft. Die EZB peilt das Jahr 2027 für ein Pilotprojekt an, 2029 soll die Bargeld-Alternative dann eingeführt werden. Die Europäische Union muss dafür 2026 gesetzliche Grundlagen schaffen. Er gehe davon aus, dass das Projekt politisch mehrheitsfähig ist, zumal die Union damit dem Trend zum digitalen Zahlungsverkehr Rechnung trage und mehr Unabhängigkeit von internationalen Zahlungsdienstleistern schaffe. Die Wahlfreiheit in Bezug auf Zahlungsmittel und das Bargeld werde dadurch außerdem keineswegs gefährdet, betonte Kocher.




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