Von: mk
Bozen – Der umstrittene 28-Punkte-Plan ist vom Tisch – zumindest vorerst: Europäer und Ukrainer haben den von vielen als “russische Wunschliste” kritisierten Plan in Genf mit US-Vertretern nachverhandelt. Gleichzeitig scheint Russland von seinen bisherigen Positionen nicht abrücken zu wollen. Warum ein Frieden mit der Ukraine für Kreml-Despot Wladimir Putin schwierig bleibt.
Sollte die Ukraine – etwa durch die USA – zur Abtretung von Gebieten gezwungen werden, könnte sie die völkerrechtliche Anerkennung verweigern. Die De-facto-Lösung wäre für die Ukraine sicher schmerzhaft. Für Russland wäre sie gesichtswahrend: Selbst als Diktator muss Putin die zahlreichen Verluste an Soldaten und Kriegsmaterial vor seiner Bevölkerung rechtfertigen.
Auch der Verzicht auf einen NATO-Beitritt würde die Ukraine nicht gänzlich schutzlos zurücklassen, wenn etwa der Artikel fünf der NATO auf die Ukraine ausgedehnt wird. Ein geschickt ausgehandelter Kompromiss mit entschiedenen Verbündeten im Westen kommt der kriegsgebeutelten Ukraine deshalb eher gelegen als Russland.
Denn unabhängig von imperialistischen Machtphantasien im Kreml wäre auch eine verkleinerte Ukraine für Putin ein Dorn im Auge, wenn sie demokratisch bleibt. Hilft der Westen beim Wiederaufbau mit, könnte die Ukraine zu einem der prosperierendsten Länder in Europa mit hohem Lebensstandard werden. Trotz der jüngsten Korruptionsfälle, die zuletzt bekannt wurden, herrscht in der Ukraine bereits jetzt mehr Rechtsstaatlichkeit als in Russland. Die Menschen dürfen sich frei äußern und auch die Wahlen sind frei – Dinge, die es in Russland nicht gibt.
Russland hat seinerseits auf Kriegswirtschaft umgestellt und wird auch nach dem Krieg nicht zuletzt wegen der Sanktionen unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten leiden, was sich auf den Lebensstandard der Menschen auswirken wird. Gleichzeitig wird Russland von Traumatisierten und Kriminellen überschwemmt werden, die als Soldaten an der Front gedient haben und heimkehren werden – ein Faktor, der die öffentliche Sicherheit und das Zusammenleben in der Gesellschaft maßgeblich beeinflussen könnte.
Kurz gesagt: Wer die Möglichkeit hat, die Ukraine im Fall eines Friedens mit Russland objektiv zu vergleichen, weiß, wer das bessere Los gezogen hat. Auch die russische Propaganda wird daran wenig ändern können. Für Putin ist das mehr als nur ein Affront, sondern eine Situation, die für ihn die Gefahr eines machtpolitischen Umsturzes in sich birgt. Für Europa und dem Westen bleibt unterdessen die Frage offen, ob man man kriegerisch herbeigeführte Grenzverschiebungen wirklich so hinnehmen will.




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