500 Flüchtlinge angelandet: Insel droht mit „Streik“

Lampedusa kann nicht mehr: Innenministerium will Hunderte Flüchtlinge evakuieren

Montag, 31. August 2020 | 08:23 Uhr

Lampedusa – Nachdem zwischen Freitag und Samstag 500 Flüchtlinge an den Küsten der kleinen Mittelmeerinsel angelandet waren,hat die Gemeinde von Lampedusa, die das „Schweigen der Regierung“ beklagt, mit einem Streik gedroht. Am Sonntag versprach die Regierung Abhilfe. Rom will zu den bereits zwei bestehenden Schiffen weitere drei „Quarantäneschiffe“ nach Lampedusa schicken. Die Schiffe sollen dazu dienen, mehrere 100 Flüchtlinge zu evakuieren und deren gesundheitliche Überwachung zu gewährleisten.

ANSA/ELIO DESIDERIO

Die vom Flüchtlingsproblem geplagte Insel Lampedusa kann nicht mehr, hieß es. „Wir liegen auf den Knien. Zusammen mit den letzten Ankünften befinden sich im Flüchtlingsaufnahmezentrum mehr als 1.500 Personen. Die Lage ist untragbar. Entweder die Regierung trifft sofortige Maßnahmen oder die ganze Insel wird in Streik treten. Die Gemeindeverwaltung wird den Streik ausrufen und alles schließen. Es ist nicht mehr länger möglich, die Schikanen der Regierung hinzunehmen“, so der Bürgermeister von Lampedusa, Totò Martello.

Facebook/Nello Musumeci

Totò Martello hat allen Grund zum Ärger. Aufgrund der ständig steigenden Flüchtlingszahlen ist die Lage auf der Insel seit mehreren Wochen sehr angespannt. Hinzu kommt, dass in den vergangenen Tagen im völlig überfüllten Flüchtlingszentrum und bei ankommenden Flüchtlingen mehrere Dutzend Corona-Fälle festgestellt wurden. Die Ankunft von rund 500 Migranten, die zwischen Freitag und Samstag mit 30 kleineren Booten die Insel erreicht hatten, brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. Zu diesen Flüchtlingen gesellten sich am Samstag noch 49 Migranten des vom Künstler Banksy finanzierten und unter deutscher Flagge fahrenden Rettungsschiffes „Louise Michel“. Nachdem die 49 Flüchtlinge von der „Louise Michel“ übernommen worden waren, wurden sie von der italienischen Küstenwache auf die Insel transportiert.

Facebook/Nello Musumeci

Die Drohung mit einem Streik, der riskiert hätte, die Lage auf der Insel endgültig außer Kontrolle zu bringen, blieb nicht folgenlos. Am Sonntag teilten Präsident Giuseppe Conte und die Innenministerin Luciana Lamorgese mit, dass die Regierung drei Schiffe entsenden wird. Die sogenannten „Quarantäneschiffe“ sollen dazu dienen, Hunderte von Flüchtlingen zu evakuieren und deren gesundheitliche Überwachung zu gewährleisten. Nach dem Ergebnis des ersten Abstriches wurden bereits am Samstagabend die ersten 120 Migranten von der Insel evakuiert. Vom Montag bis zum Mittwoch sollen mit dem Eintreffen der beiden anderen Schiffe ihnen mindestens 300 weitere Flüchtlinge folgen.

ANSA/ELIO DESIDERIO

Dem Bürgermeister von Lampedusa reichen diese Bemühungen aber nicht aus. Um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen, drohte Totò Martello mit einer spektakulären Aktion. Er schrieb dem Präsidenten von Tunesien, Kais Saied, einen Brief und kündigte an, dass er im Falle eines Fortdauerns der Flüchtlingsanlandungen mit seinem eigenen Boot rückwärts der Route der Flüchtlingsboote folgend nach Tunesien segeln werde.

Facebook/Nello Musumeci

Viele Leser und Kommentatoren finden es traurig, dass Totò Martello mit „Streiks“ und spektakulären Aktionen drohen muss, um auf das Flüchtlingsproblem aufmerksam zu machen. Sie drücken dem Bürgermeister von Lampedusa ihre Solidarität aus.

Facebook/Totò Martello, sindaco di Lampedusa e Linosa

Beobachter meinen, dass angesichts der gegenüber dem Vorjahr festgestellten massiven Erhöhung der Flüchtlingszahlen das Migrationsproblem bald wieder in den Mittelpunkt der europäischen Politik rücken wird. Die süditalienische Region Sizilien, zu der Lampedusa gehört, aber auch Rom wollen nicht, dass das Flüchtlingsproblem allein bei ihnen abgeladen wird, und fordern eine europäische Lösung.

Hier geht es zum Video.

Von: ka