Reger Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern

Heiße Polemiken um die Schließung der Diskotheken

Dienstag, 18. August 2020 | 08:00 Uhr

Rom – Auf die nach einem Treffen mit den Präsidenten der Regionen erfolgte Anordnung der Regierung, alle Diskotheken Italiens zu schließen, folgte wie nicht anders zu erwarten ein Rattenschwanz von Polemiken.

Während Experten wie der angesehene Infektiologe Massimo Galli die Entscheidung des Gesundheitsministers begrüßten und hinzufügten, dass die Öffnung der Tanzlokale nie hätte erlaubt werden sollen, sprachen nicht wenige Discothekenbetreiber von „Heuchelei“ und meinten, dass die Verfügung sie zu Sündenböcken stemple.

Facebook/PRAJA GALLIPOLI

Sieht man einmal von den Virologen und Epidemiologen, die die Öffnung der Diskotheken schon immer abgelehnt hatten, ab, löste die beschlossene Schließung der Tanzlokale nicht nur Freude aus. Insbesondere die Discothekenbetreiber gingen mit der Regierung hart ins Gericht. Nicht wenige Inhaber von Tanzlokalen sprachen von „Heuchelei“ und meinten, dass die Verfügung sie zu Sündenböcken stemple, während in anderen Fällen – speziell dort, wo es um den Tourismus gehe – ein Auge zugedrückt werde.

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Der Europarlamentarier der Lega Nord und Besitzer der bekannten Diskothek „Papeete“ von Milano Marittima, Massimo Casanova, nahm sich kein Blatt vor den Mund. „Die Regierung besteht aus Leuten, die nicht wissen was es heißt, einen Betrieb zu führen. Wenn sie mir gesagt hätten, dass es über die Verbreitung der Ansteckungen in den Diskotheken gesicherte Zahlen gebe, hätte ich zugestimmt. So will man aber nur die Wirtschaft treffen“, so Massimo Casanova.

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Im Gespräch mit der Regierung brachten auch einige Regionen ihre Skepsis zum Ausdruck. Der Präsident von Friaul-Julisch Venetien, Massimiliano Fedriga, meinte etwa, dass es besser sei, die Entscheidung über eine Schließung den einzelnen Präsidenten der Regionen und Autonomen Provinzen zu überlassen. Er schlug vor, über einen Kompromiss wie eine Maskenpflicht und eine Halbierung der zulässigen Besucheranzahl nachzudenken. Die Regierung sah dies aber anders und verfügte eine einheitliche Schließung aller Tanzlokale.

Auch die Silb – die italienische Gewerkschaft der Tanzlokale – meldete Bedenken an. Die Silb merkte an, dass überhaupt nur zehn Prozent der rund 3.500 italienischen Diskotheken und Tanzlokale geöffnet seien. Die Gewerkschaft brachte ihre Befürchtung zum Ausdruck, dass es in Zukunft vermehrt zur Abhaltung von illegalen Musik- und Tanzveranstaltungen kommen werde. Die Silb forderte die Regierung dazu auf, den Betrieben finanzielle Hilfen zu gewähren und die Zehntausenden Angestellten dieser Wirtschaftssparte in die Lohnausgleichskasse zu überstellen.

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Experten wie Professor Massimo Galli hingegen begrüßten die Anordnung des Gesundheitsministeriums. Der angesehene Infektiologe, der der entsprechenden Abteilung des Krankenhauses „Sacco“ in Mailand vorsteht und an der staatlichen Universität von Mailand lehrt, erinnerte daran, dass es in Italien bereits heute eine Vielzahl von Corona-Hotspots gebe und das Durchschnittsalter der neu mit dem Coronavirus infizierten Personen immer weiter absinke. „Die Diskotheken hätten nie geöffnet werden sollen. Jetzt herrscht endlich Klarheit“, so die klaren Worte des angesehenen Experten.

Überraschenderweise teilt der DJ und artistische Direktor von Radio Deejay, Pasquale Di Molfetta – besser bekannt unter seinem Künstlernamen Linus – die Meinung des Mailänder Infektiologen. Linus unterstrich, dass die Behörden auf der „Discothekeninsel“ Ibiza den Mut gehabt hätten, die Tanzlokale geschlossen zu halten, und dass es offensichtlich war, dass Corona-Maßnahmen wie die soziale Distanzierung in den Diskotheken nur schwerlich umzusetzen seien.

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„Es sind junge Leute. Wir alle sind jung gewesen. Wir können sie nicht zu Hause einsperren und wir dürfen sie auch nicht kriminalisieren. Daher hätte man die Tanzlokale nie begünstigen sollen. Die jungen Leute besitzen 100.000 andere Möglichkeiten, Spaß zu haben“, antwortete Linus auf die Frage, ob die jungen Leute kriminalisiert werden.

Die übergroße Mehrheit der Italiener, die nichts mehr als einen gefährdeten regulären Schulbetrieb im Herbst oder einen erneuten Lockdown fürchtet, dürfte der gleichen Meinung sein.

Hier geht es zum Video.

 

Von: ka